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Steuern von A bis Z

Viele Para­me­ter sind bei der Bestim­mung des Mit­tel­punkts der Lebens­in­ter­es­sen zu beachten

Kate­go­rien: Klienten-Info

Sep­tem­ber 2021 

Dem Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen kommt für die Beur­tei­lung der Ansäs­sig­keit von natür­li­chen Personen und folglich für die Bestim­mung der unbe­schränk­ten Steu­er­pflicht in dem einen oder anderen Staat große Bedeu­tung zu. Gemäß Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men (DBA) ist der Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen in erster Linie ent­schei­dend, wenn die natür­li­che Person in beiden Staaten über eine ständige Wohn­stät­te (etwa eine Wohnung) verfügt. Im kon­kre­ten Fall hatte sich das BFG (GZ RV/7100987/2017 vom 14.4.2021) mit der Frage aus­ein­an­der­zu­set­zen, ob im Rahmen einer tem­po­rä­ren Ent­sen­dung ins Ausland — bei Bei­be­hal­tung eines inlän­di­schen Wohn­sit­zes — der Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen in Öster­reich verbleibt.

Aus­gangs­punkt war eine für fast 1,5 Jahre befris­te­te Ent­sen­dung durch den öster­rei­chi­schen Arbeit­ge­ber nach Kanada. An diese Ent­sen­dung knüpfte eine zwei­jäh­ri­ge Beschäf­ti­gung (befris­te­ter lokaler Dienst­ver­trag) bei der kana­di­schen Nie­der­las­sung des Unter­neh­mens an. Im strit­ti­gen Jahr 2012 war der Arbeit­neh­mer teils im Rahmen der Ent­sen­dung und teils im Rahmen des lokalen Dienst­ver­trags in Kanada tätig, wobei er während dieser Zeit einen Wohnsitz zur Dienst­ver­rich­tung in Kanada hatte. Überdies nutzte er seine Eigen­tums­woh­nung in Wien während seines Öster­reich­auf­ent­halts (beruf­lich und im Urlaub zum Besuch seiner in Öster­reich lebenden Eltern) von 70 Tagen in diesem Jahr. Das (öster­rei­chi­sche) Finanz­amt war der Ansicht, dass der Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen in dem kon­kre­ten Jahr in Öster­reich gelegen war und daher der Arbeit­neh­mer mit seinem Welt­ein­kom­men in Öster­reich unbe­schränkt steu­er­pflich­tig wurde. Das DBA zwischen Öster­reich und Kanada sieht dann vor, dass die in Kanada auf die Ein­künf­te aus nicht­selb­stän­di­ger Tätig­keit ent­fal­len­de Steuer auf die öster­rei­chi­sche Steuer (unter Berück­sich­ti­gung des Anrech­nungs­höchst­be­trags) ange­rech­net werden muss, um eine Dop­pel­be­steue­rung zu vermeiden.

Bei der Bestim­mung des Mit­tel­punkts der Lebens­in­ter­es­sen ist auf das Gesamt­bild der per­sön­li­chen und wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se abzu­stel­len, wobei das Über­wie­gen der Bezie­hun­gen zum einen oder zum anderen Staat aus­schlag­ge­bend ist. Typi­scher­wei­se kommt den wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen gerin­ge­re Bedeu­tung zu als den per­sön­li­chen Bezie­hun­gen. Unter per­sön­li­che Bezie­hun­gen fallen regel­mä­ßig fami­liä­re Bin­dun­gen, Betä­ti­gun­gen gesell­schaft­li­cher, reli­giö­ser und kul­tu­rel­ler Art, Akti­vi­tä­ten zur Ent­fal­tung per­sön­li­cher Inter­es­sen und Nei­gun­gen oder auch die Mit­glied­schaft in Vereinen sowie andere soziale Enga­ge­ments. Die wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen basieren hingegen auf örtlich gebun­de­nen Tätig­kei­ten oder Ein­nah­me­quel­len in Form von Ver­mö­gens­ge­gen­stän­den. Für die Ent­schei­dung, in welchem der beiden Staaten unbe­schränk­te Steu­er­pflicht der natür­li­chen Person vorliegt, ist ein längerer Beob­ach­tungs­zeit­raum (er sollte zwei Jahre über­stei­gen) her­an­zu­zie­hen. Bei Ent­sen­dun­gen wird dabei das Bei­be­hal­ten der Wohn­stät­te im Ent­sen­de­staat oftmals als Indiz gewertet, dass der Mit­ar­bei­ter seinen Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen nicht in den anderen Staat ver­la­gert hat. Dem VwGH folgend lässt eine zeitlich begrenz­te Aus­lands­tä­tig­keit den Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen auch dann im Inland bestehen, wenn die Familie an den Arbeits­ort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber bei­be­hal­ten wird.

Im kon­kre­ten Fall sah das BFG — unter Berück­sich­ti­gung weiterer Aspekte als das Bei­be­hal­ten der Wohnung in Öster­reich — den Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen in dem ent­spre­chen­den Jahr als in Öster­reich erfüllt. Bei der Bestim­mung der per­sön­li­chen Ver­hält­nis­se konnten einer­seits keine per­sön­li­chen Bezie­hun­gen zu Kanada fest­ge­stellt werden. Ande­rer­seits zählt ein regel­mä­ßi­ger Besuch der Eltern zum Fami­li­en­le­ben; mangels sons­ti­ger fami­liä­rer Bezugs­punk­te ist daher der Besuch der Eltern in Öster­reich während seines Urlaubs für die Beur­tei­lung der per­sön­li­chen Bezie­hun­gen maß­ge­bend. Bei der Bestim­mung der wirt­schaft­li­chen Bezie­hun­gen ist zwei­fels­oh­ne zu berück­sich­ti­gen, dass die Ein­künf­te während der Ent­sen­dung in Kanada bezogen wurden. Hingegen sprechen die befris­te­ten Dienst­ver­hält­nis­se, der Verbleib in der öster­rei­chi­schen Sozi­al­ver­si­che­rung und auch die ins­ge­samt kurze Auf­ent­halts­dau­er gegen Kanada als Mit­tel­punkt der Lebens­in­ter­es­sen — es deutet kein Umstand darauf hin, dass der Steu­er­pflich­ti­ge seine wirt­schaft­li­che Zukunft in Kanada gesehen hat. Öster­reich besteu­ert daher das Welt­ein­kom­men und muss als Ansäs­sig­keits­staat die kana­di­sche Steuer anrech­nen. Überdies können in Öster­reich die Kosten für die doppelte Haus­halts­füh­rung als Wer­bungs­kos­ten steu­er­lich geltend gemacht werden.

Bild: © Adobe Stock — auremar