News
Immer aktuell

Klienten-Info

Klienten-Info — Aktuell

Laut VwGH führt der Verlust eines Schrift­stücks durch die Post zu keinem Rechts­nach­teil — aller­dings nur bei ent­spre­chen­der Sorgfalt

Kate­go­rien: Klienten-Info , Ver­mie­ter-Info

Mai 2023 

Im gegen­ständ­li­chen Fall des VwGH (GZ Ra 2022/13/0035 vom 20.10.2022) wurden einem Unter­neh­men zwei Beschei­de zuge­stellt. Gegen beide Beschei­de wurde jeweils frist­ge­recht Beschwer­de erhoben. Jedoch stellte sich im Rahmen der Ladung zur münd­li­chen Ver­hand­lung über den einen Bescheid heraus, dass die Beschwer­de über den anderen Bescheid niemals bei der Behörde ein­ge­langt ist. Eine Sen­dungs­nach­ver­fol­gung war aufgrund des ver­stri­che­nen Zeit­raums nicht mehr möglich. Somit wurde vom Finanz­amt ange­nom­men, dass das Schrift­stück am Postweg verloren gegangen ist und die Beschwer­de­frist gegen diesen Bescheid unge­nützt abge­lau­fen ist.

Das Unter­neh­men stellte binnen drei Monaten nach Kennt­nis­nah­me über den Verlust der Beschwer­de einen Antrag auf Wie­der­ein­set­zung in den vor­he­ri­gen Stand. Ein solcher Antrag ist möglich, wenn eine Partei aufgrund eines Irrtums eine Frist versäumt und sie dadurch einen Rechts­nach­teil erleidet. Hierfür darf jedoch die mögliche Auf­klä­rung des Irrtums nicht durch auf­fal­len­de Sorg­lo­sig­keit unter­blie­ben sein. Ein solcher Antrag auf Wie­der­ein­set­zung muss binnen drei Monaten ab dem Zeit­punkt, in welchem die Partei oder deren Ver­tre­ter bei pflicht­ge­mä­ßer Auf­merk­sam­keit den Irrtum erkennen konnte, ein­ge­bracht werden.

Strittig war nun, ab wann die drei­mo­na­ti­ge Frist für die Ein­brin­gung des Antrags auf Wie­der­ein­set­zung zu laufen begonnen hat. Die Finanz­be­hör­de und das Bun­des­fi­nanz­ge­richt waren der Ansicht, dass diese Frist bereits abge­lau­fen war. Für das Unter­neh­men sei nämlich bereits deutlich früher aus Amts­hand­lun­gen im Ver­fah­ren gegen den anderen Bescheid (dessen Beschwer­de nicht verloren ging!) erkenn­bar gewesen, dass die gegen­ständ­li­che Beschwer­de nicht ein­ge­langt war. Aus diesem Grund wäre die drei­mo­na­ti­ge Wie­der­ein­set­zungs­frist bereits verstrichen.

Der VwGH führte in seiner Ent­schei­dung aus, dass der Verlust einer Sendung auf dem Postweg ein unvor­her­ge­se­he­nes und unab­wend­ba­res Ereignis ist, das zur Wie­der­ein­set­zung in den vorigen Stand berech­tigt. Dabei kann man davon ausgehen, dass dies beim Verlust eines nicht ein­ge­schrie­be­nen Briefes auch der Fall ist, da mit dem Ein­lan­gen des Schrift­stü­ckes bei der Behörde gerech­net werden kann. Der VwGH betonte auch, dass es nicht not­wen­dig ist, grund­sätz­lich immer zu über­prü­fen, ob ein Schrei­ben bei der Behörde ein­ge­langt ist.

Ob im kon­kre­ten Fall der Irrtum über den Verlust des Schrift­stücks zu einem früheren Zeit­punkt (vor Bekannt­wer­den durch die Ladung zur münd­li­chen Ver­hand­lung) zumutbar erkenn­bar gewesen ist, wurde im bis­he­ri­gen Ver­fah­ren nicht hin­rei­chend fest­ge­stellt. Ebenso hatte sich das BFG nicht aus­rei­chend damit aus­ein­an­der­ge­setzt, ob das Unter­neh­men auf­fal­lend sorglos war und nur aus diesem Grund den Irrtum nicht auf­ge­klärt hat. Nach Ansicht des VwGH ist der Antrag auf Wie­der­ein­set­zung durch das Unter­neh­men somit frist­ge­recht ein­ge­bracht worden.

Aus der Praxis betrach­tet mag es auf den ersten Blick erfreu­lich sein, dass der Steu­er­pflich­ti­ge keinen Nachteil erleiden soll, wenn auf dem Postweg Schrift­stü­cke verloren gehen. Jedoch kann die Frage, wann der Irrtum erkenn­bar war, nur ein­zel­fall­be­zo­gen beant­wor­tet werden — dies gilt auch hin­sicht­lich rele­van­ter Fristen beim Antrag auf Wie­der­ein­set­zung in den vorigen Stand. Ebenso kann der Beweis, dass kein auf­fal­lend sorg­lo­ses Ver­hal­ten vorliegt, mitunter schwie­rig sein. Wichtige Schrift­stü­cke — wie etwa eine Beschwer­de — können per­sön­lich beim Finanz­amt ein­ge­bracht werden oder oftmals auch über Finan­zOn­line (bzw. per Fax), um einen Verlust auf dem Postweg zu vermeiden.

Bild: © Adobe Stock — cat027