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Risken bei der Abfas­sung einer Selbst­an­zei­ge hin­sicht­lich der straf­be­frei­en­den Wirkung

Kate­go­rien: Klienten-Info

März 2004 

Sach­ver­halt

Der steu­er­li­che Ver­tre­ter erstat­tet eine “Selbst­an­zei­ge” an das zustän­di­ge Finanz­amt fol­gen­den Inhaltes: “In der Anlage über­sen­den wir Ihnen die Umsatz­steu­er­vor­anmel­dun­gen für die Monate .….….. . Nachdem die in den erwähn­ten Erklä­run­gen ent­hal­te­nen Zahl­las­ten nicht in voller Höhe ent­rich­tet wurden, ersuchen wir dieses Schrei­ben als Selbst­an­zei­ge gemäß § 29 Finanz­straf­ge­setz zu betrach­ten. W.KG für P. GmbH.”

Recht­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on durch die Behörde und den VwGH

Das Finanz­amt versagte die straf­be­frei­en­de Wirkung unter Hinweis auf § 29 Abs. 5 Finanz­straf­ge­setz wegen Fehlens der Nennung der phy­si­schen Person, für welche die Selbst­an­zei­ge erstat­tet worden ist. Der VwGH 2001/13/0297 vom 27. Februar 2002 wies die dagegen erhobene Beschwer­de als unbe­grün­det ab. 

Täter­be­nen­nung in der Selbstanzeige

Um die straf­be­frei­en­de Wirkung einer Selbst­an­zei­ge zu errei­chen, ist der Täter des Finanz­ver­ge­hens in der Selbst­an­zei­ge ein­deu­tig zu benennen. (§ 29 Abs. 5 Finanz­straf­ge­setz) Die Bezeich­nungs­pflicht besteht nicht nur, wenn mehrere Personen als Täter in Betracht kommen, sondern auch dann, wenn der Täter Allein­ge­sell­schaf­ter und Allein­ge­schäfts­füh­rer einer Gesell­schaft ist.
Der Umstand, dass somit in einer Selbst­an­zei­ge für eine Gesell­schaft alle Geschäfts­füh­rer und alle Gesell­schaf­ter nament­lich ange­führt sein müssen, kann bei einer Mehrzahl dieser Personen an die Grenzen der Mach­bar­keit führen. Im zitier­ten VwGH-Erkennt­nis wird aber aus­drück­lich darauf hin­ge­wie­sen, dass bei Auf­wen­dung bloß durch­schnitt­li­cher Sorgfalt in der Ver­fas­sung der Selbst­an­zei­ge die gesetz­li­che Anfor­de­rung des § 29 Abs. 5 Finanz­straf­ge­setz sehr einfach erfüll­bar sein müsse, weil der Anzei­gen­ver­fas­ser den Namen des­je­ni­gen, der durch die Anzeige straf­frei werden soll, not­wen­di­ger­wei­se geläufig sein muss. Dieser Hinweis des Höchst­ge­rich­tes wird in der Praxis aber bis­wei­len graue Theorie bleiben, zumal bei Selbst­an­zei­gen in der Regel enormer Zeit­druck besteht und Personen, welche an dem Finanz­ver­ge­hen völlig unschul­dig sind, sich dagegen wehren werden, mit diesem in Ver­bin­dung gebracht zu werden. Ferner ist auf die rechts­po­li­ti­sche Pro­ble­ma­tik dieser Bestim­mung hin­zu­wei­sen, weil sie zu Erpres­sun­gen und einem Wettlauf von Selbst­an­zei­gen führt, bei dem Unschul­di­ge zum Handkuss kommen können.

Son­der­fall Selbstbemessungsabgaben/Umsatzsteuer

Bei Selbst­be­mes­sungs­ab­ga­ben genügt es, wenn auf dem Ein­zah­lungs­ab­schnitt die Abga­ben­art und der Ent­rich­tungs­zeit­raum bekannt gegeben werden und die Abgabe — wenn auch ver­spä­tet — ent­rich­tet wird. Die formelle Bezeich­nung „Selbst­an­zei­ge“ ist in diesen Fällen nicht erfor­der­lich, um die straf­be­frei­en­de Wirkung des § 29 Finanz­straf­ge­setz zu errei­chen. (VwGH 20.01.2003, 2002/17/0062)
Ins­be­son­de­re wird bei der Umsatz­steu­er darauf hin­ge­wie­sen, dass die Jah­res­um­satz­steu­er­erklä­rung als kon­klu­den­te Dar­le­gung der Ver­feh­lung zu beur­tei­len ist, wonach bei feh­ler­haf­ten Umsatz­steu­er­vor­anmel­dun­gen durch eine korrekte Jah­res­um­satz­steu­er­erklä­rung keine straf­ba­re Umsatz­steu­er­hin­ter­zie­hung besteht (OGH 27.07.1998 Punkt 12 Os 41/98). Ferner sei auf Seite 4 der Umsatz­steu­er­erklä­rung ver­wie­sen, wo darauf hin­ge­wie­sen wird, dass durch umge­hen­de Ent­rich­tung einer fälligen Rest­schuld die Ein­lei­tung eines Finanz­straf­ver­fah­rens ver­hin­dert werden kann.
Mit den hier ange­führ­ten Grund­sät­zen steht die Abwei­sung der Beschwer­de im ein­lei­tend zitier­ten VwGH-Erkennt­nis in Wider­spruch, zumal es sich um die Berich­ti­gung von Selbst­be­mes­sungs­ab­ga­ben (im kon­kre­ten Fall berich­tig­te Umsatz­steu­er­vor­anmel­dun­gen) gehan­delt hat. 

All­ge­mei­ne Vor­aus­set­zun­gen für eine straf­be­frei­en­de Selbstanzeige

Dass eine bloß berich­tig­te Steu­er­erklä­rung auto­ma­tisch einer Selbst­an­zei­ge gleich kommt, gilt seit dem Urteil des OGH vom 29. Juli 1997, 14 Os 204/96 als überholt. Vielmehr müssen folgende Vor­aus­set­zun­gen kumu­la­tiv vorliegen: 

  • Dar­le­gung der Ver­feh­lung und Offen­le­gung der Umstände, die mit dem Steu­er­aus­fall ver­bun­den waren.
  • Recht­zei­tig­keit der Anzeige (vor Ein­lei­tung einer dem Täter bekann­ten Verfolgungshandlung).
  • Ein­brin­gung der Selbst­an­zei­ge bei der zustän­di­gen Abgabenbehörde.
  • Benen­nung des Täters bzw. der Täter. 
  • Recht­zei­ti­ge Ent­rich­tung der ver­kürz­ten Abgabe.

Hinweise für die Praxis

Zur Ver­mei­dung des Risikos der nicht straf­be­frei­en­den Wirkung einer Selbst­an­zei­ge, sollten die for­mel­len Vor­aus­set­zun­gen des § 29 Finanz­straf­ge­setz penibel beachtet werden. Besser ist ein zuviel als zuwenig. Wie man sieht, hält sich nicht einmal die höchst­rich­ter­li­che Recht­spre­chung an die Aus­nah­me­re­ge­lung für Selbst­be­mes­sungs­ab­ga­ben und die Finanz­be­hör­de ori­en­tiert sich zum Teil an dieser über­schie­ßen­den Fehl­in­ter­pre­ta­ti­on. Der steu­er­li­che Ver­tre­ter erspart sich enormen Argu­men­ta­ti­ons­auf­wand, wenn er selbst in den Fällen höherer Nach­zah­lung bei Selbst­be­mes­sungs­ab­ga­ben sämt­li­che Kri­te­ri­en (Vor­aus­set­zun­gen) für eine Selbst­an­zei­ge offen legt; ganz zu schwei­gen von den Unan­nehm­lich­kei­ten für die an der Abga­ben­ver­kür­zung schul­di­gen oder unschul­di­gen Personen, für welche ein Finanz­straf­ver­fah­ren in der Regel beträcht­li­che emo­tio­na­le Reak­tio­nen auslöst.

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