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Klienten-Info — Archiv

Die Ver­tre­ter­haf­tung im Sozi­al­ver­si­che­rungs- und Steuerrecht

Kate­go­rien: Klienten-Info

November 2001 

Locke­rung der Haftung für Sozi­al­ver­si­che­rungs-Beiträge
Mit dem Erkennt­nis des VwGH 12. Dezember 2000, 98/08/0191, 0192 ist eine erfreu­li­che Judi­ka­tur­wen­de ein­ge­tre­ten, die Geschäfts­füh­rern von in Insol­venz gera­te­nen juris­ti­schen Personen mehr Rechts­si­cher­heit garan­tiert. Auf Grund der bis­he­ri­gen Ver­wal­tungs­pra­xis erstreck­te sich die Aus­fall­haf­tung auf die gesamten Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge (Dienst­ge­ber- und Dienst­neh­mer­an­teil), wobei der Geschäfts­füh­rer aus den ver­füg­ba­ren Mitteln alle Gläu­bi­ger gleich behan­deln musste. Dabei blieb aber die konkrete Berech­nungs­art offen, sodass erheb­li­che Rechts­un­si­cher­heit bestand.

Nach der oben ange­führ­ten Judi­ka­tur sieht die neue Haf­tungs­re­ge­lung nunmehr wie folgt aus:

– Haftung nach § 111 ASVG
Bei schuld­haf­ter Ver­let­zung der Mel­de­pflich­ten besteht nach wie vor die Bei­trags­haf­tung für sämt­li­che unein­bring­li­chen Beiträge unter Berück­sich­ti­gung des Gleich­be­hand­lungs­grund­sat­zes.

– Haftung nach §§ 67 (10), 114 ASVG
Nach wört­li­cher Aus­le­gung dieser Bestim­mung redu­ziert die Judi­ka­tur die unter Straf­sank­ti­on stehende Ver­tre­ter-Haftung auf die ein­be­hal­te­nen Dienst­neh­mer-Anteile, wobei der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nicht zur Anwen­dung gelangt.

Keine Änderung im Steu­er­recht
– Aus­fall­haf­tung des Geschäfts­füh­rers
§ 9 iVm § 80 BAO normiert die Ver­pflich­tung des Ver­tre­ters juris­ti­scher Personen sowie die gesetz­li­chen Ver­tre­ter natür­li­cher Personen zur Abga­ben­zah­lung, woraus die Aus­fall­haf­tung bei schuld­haf­ter Pflicht­ver­let­zung resul­tiert. Hier gilt nach wie vor der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz mit der oben ange­führ­ten Pro­ble­ma­tik. Die gleichen Haf­tungs­be­stim­mun­gen gelten auch nach den Lan­des­ab­ga­ben­ord­nun­gen (z.B. Kom­mu­nal­steu­er). Aus­ge­nom­men ist die ein­be­hal­te­ne Lohn­steu­er für aus­be­zahl­te Löhne, weil der Geschäfts­füh­rer treu­hän­dig die ein­be­hal­te­ne Lohn­steu­er abzu­füh­ren hat und daher die Gleich­be­hand­lung nicht zum Tragen kommt. Die Lohn­steu­er von aus­be­zahl­ten Löhnen ist daher in voller Höhe abzu­füh­ren.

Laut VwGH 29. März 2001, 99/14/0105 stellt ein Zwangs­aus­gleich der GmbH keinen Grund für die Befrei­ung von der Haftung des Geschäfts­füh­rers dar.
– Steu­er­li­che Qua­li­fi­ka­ti­on der Zahlung aus dem Titel der Haftung
• Wer­bungs­kos­ten / Betriebs­aus­ga­ben
Beim Geschäfts­füh­rer sind Zah­lun­gen aus dem Titel der Haftung für Sozi­al­ver­si­che­rungs­bei­trä­ge und Abgaben abzugs­fä­hig, gleich­gül­tig, ob er an der Gesell­schaft betei­ligt ist oder nicht. Dies gilt auch dann, wenn ein Fehl­ver­hal­ten vorliegt, soferne dieses der betrieb­li­chen Sphäre zuzu­ord­nen ist (VwGH 24. Oktober 2000, 95/14/0048; 30. Mai 2001, 95/13/0288).
• Gesell­schaf­ter­ein­la­gen
Über­nimmt ein Gesell­schaf­ter-Geschäfts­füh­rer Haf­tun­gen gegen­über Banken, Lie­fe­ran­ten etc. (z.B. Betriebs­mit­tel­kre­dit) und wird er aus diesem Titel in Anspruch genommen, dann dient die Haf­tungs­über­nah­me wirt­schaft­lich in erster Linie dem Fort­be­stand der GmbH und ist als Gesell­schaf­ter­ein­la­ge und nicht als Wer­bungs­kos­ten / Betriebs­aus­ga­ben zu qua­li­fi­zie­ren (VwGH 30. Mai 2001, 95/13/0288; 20. Dezember 2000, 98/13/0029). Dies ins­be­son­de­re dann, wenn wegen Unan­ge­mes­sen­heit und Unüb­lich­keit der Ausgaben, ab einer bestimm­ten Höhe eine betrieb­li­che Ver­an­las­sung nicht ange­nom­men werden kann.

Schluss­fol­ge­run­gen
Leider gibt es im Steu­er­recht keine ver­gleich­ba­re Rechts­si­cher­heit wie sie nunmehr im Sozi­al­ver­si­che­rungs­recht exis­tiert, da der Gleich­be­hand­lungs­grund­satz nach wie vor (mit Ausnahme bei der Abfuhr der Lohn­steu­er) anzu­wen­den ist. Der Geschäfts­füh­rer haftet laut Judi­ka­tur auch dann für die Abfuhr der Lohn­steu­er, wenn eine Bank die Bar­mit­tel aus­drück­lich nur für die Net­to­lohn­zah­lung zur Ver­fü­gung stellt. Der Geschäfts­füh­rer kann sich nur dadurch von der Haftung befreien, dass er recht­zei­tig schrift­lich seine Geschäfts­füh­rer­be­fug­nis zurück­legt. Das Datum der Ein­tra­gung im Fir­men­buch ist nicht maß­ge­bend, da die Haftung ab dem Zeit­punkt der nach­weis­li­chen Zurück­le­gung der Geschäfts­füh­rer­tä­tig­keit endet.

Auf Grund der neuen Judi­ka­tur wird eine straf­ge­richt­li­che Ver­ur­tei­lung nach § 114 ASVG nicht mehrso leicht möglich sein wie bisher, wenn der Geschäfts­füh­rer folgende Vor­keh­run­gen trifft:

• Erfül­lung der Mel­de­pflich­ten gemäß § 111 ASVG
• Teil­zah­lun­gen an die Gebiets­kran­ken­kas­se im Ver­hält­nis zu aus­be­zahl­ten Löhnen mit der aus­drück­li­chen Widmung auf ein­be­hal­te­ne Dienst­neh­mer-Anteile. Ohne diese Ver­rech­nungs­wei­sung erfolgt nämlich die Anrech­nung von Zah­lun­gen zivil­recht­lich auf den jeweils ältesten Rück­stands­sal­do ohne Dif­fe­ren­zie­rung nach Dienst­ge­ber- bzw. Dienst­neh­mer-Anteilen.

Die straf­recht­li­che Praxis geht in der Regel dahin, dass die Teil­zah­lun­gen auf die jeweils „drü­ckends­te Schuld” ange­rech­net werden. Diese ist im kon­kre­ten Fall der Rück­stand von Dienst­neh­mer­an­tei­len. Sind diese höher als die Teil­zah­lun­gen, unter­liegt der Saldo der straf­ge­richt­li­chen Beur­tei­lung. Eine aus­drück­li­che Zah­lungs­wid­mung mit voll­stän­di­ger Zahlung der Dienst­neh­mer-Anteile ist jeden­falls zu emp­feh­len, um straf­recht­li­che Folgen zu ver­mei­den.

Abschlie­ßend sei noch darauf hin­ge­wie­sen, dass die Zahlung der Dienst­neh­mer­bei­trä­ge durch den Insol­venz-Aus­fall­geld-Fonds für die Ver­tre­ter kein Straf­be­frei­ungs­grund im Sinne des § 114 (3) Zi 1 ASVG ist (OGH 6. Mai 1998 13 Os 59/98–7).