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Artikel zum Thema: Ersatzanspruch

Bloß fiktive Rei­se­kos­ten sind nicht zu ersetzen

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

Juni 2016 

Eine Beson­der­heit bei Arbeits­kräf­te­über­las­sun­gen liegt darin, dass die wech­seln­den Beschäf­ti­gungs­or­te, an denen der Arbeit­neh­mer tätig ist, vom Arbeits­kräf­te­über­las­ser ein­sei­tig bestimmt werden. Es kann daher oftmals dazu kommen, dass der Arbeit­neh­mer weit von seinem Wohnsitz entfernt arbeitet und eine lange Heim­rei­se auf sich nehmen muss, um das Wochen­en­de mit seiner Familie ver­brin­gen zu können. Der Oberste Gerichts­hof hatte sich unlängst (GZ 8 ObA 44/15a vom 29.3.2016) mit den kol­lek­tiv­ver­trag­li­chen Rege­lun­gen bei Arbeits­kräf­te­über­las­sung aus­ein­an­der­zu­set­zen, denen zufolge dem Arbeit­neh­mer eine bezahlte Heim­rei­se am Wochen­en­de unab­ding­bar zu ermög­li­chen ist. Kon­kre­ter Anlass­fall war ein Tischler mit Wohnsitz und Lebens­mit­tel­punkt in Deutsch­land, der an ein Unter­neh­men in Öster­reich über­las­sen wurde. Die Ent­fer­nung zwischen Wohnsitz und Ort der Beschäf­ti­gung beträgt rund 700km und wurde während der rund ein halbes Jahr dau­ern­den Beschäf­ti­gung zumeist mit dem privaten Pkw zurück­ge­legt. Auf­fal­lend war, dass der Tischler gegen­über dem Arbeits­kräf­te­über­las­ser nicht nur die Kosten für tat­säch­lich getä­tig­te Fahrten geltend machen wollte, sondern auch „fiktive Fahrt­kos­ten (Rei­se­kos­ten)“. Das Erst­ge­richt und auch das Beru­fungs­ge­richt inter­pre­tier­ten den Kol­lek­tiv­ver­trag für Arbeiter im Arbeits­kräf­te­über­las­sungs­ge­wer­be derart, dass Näch­ti­gun­gen für die Wochen­ru­he nicht ange­ord­net werden können und dem Arbeit­neh­mer die Heim­rei­se am letzten Arbeits­tag der Arbeits­wo­che zu ermög­li­chen ist und demnach der Arbeit­neh­mer auch auf fiktive Fahrt­kos­ten Anspruch habe.

Fiktiver Fahrt­kos­ten­er­satz wider­spricht Inten­ti­on der kol­lek­tiv­ver­trag­li­chen Regelung

Der OGH führte in seiner Ent­schei­dung aus, dass gerade in Arbeits­ver­hält­nis­sen, in denen aufgrund der weiten Ent­fer­nung zwischen Wohnort und Arbeits­ort eine tägliche Heimkehr unmög­lich oder unzu­mut­bar ist, die wöchent­li­che Heimkehr als geradezu typisch zu beur­tei­len ist und vom Fahrt­kos­ten­er­satz­an­spruch umfasst ist. Bei sehr weiten Ent­fer­nun­gen zwischen Wohnort und Arbeits­ort kann es mitunter durchaus vor­kom­men, dass der kol­lek­tiv­ver­trag­lich zu gewäh­ren­de Fahrt­kos­ten­er­satz das Grund­ein­kom­men über­steigt. Trotzdem wäre eine ver­trag­li­che Ein­schrän­kung des Anspruchs auf Ersatz der Kosten einer wöchent­li­chen Heim­fahrt mit dem Zweck der Bestim­mung des Kol­lek­tiv­ver­trags nicht ver­ein­bar und daher unbe­acht­lich. Schließ­lich bleibt es dem Arbeit­ge­ber in seiner unter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung selbst über­las­sen, ob eine Anstel­lung in dieser Art und Weise wirt­schaft­lich sinnvoll ist. Auf den kon­kre­ten Fall bezogen ist jedoch ent­schei­dend, ob der Anspruch auf Fahrt­kos­ten­er­satz über­haupt ent­ste­hen kann, wenn der Arbeit­neh­mer keine Heim­rei­se antritt, sondern das Wochen­en­de frei­wil­lig am Arbeits­ort bzw. an einem vom Wohnort unter­schied­li­chen Ort ver­bringt. Der tiefere Sinn dieser kol­lek­tiv­ver­trag­li­chen Regelung (Ersatz der Rei­se­kos­ten) besteht ja gerade darin, weit entfernt woh­nen­den Arbeit­neh­mern die wöchent­li­che Heim­fahrt zu ermög­li­chen. Dem OGH folgend ist es dazu aber nicht erfor­der­lich, dem Arbeit­neh­mer Rei­se­kos­ten zu ersetzen, die ihm gar nicht ent­stan­den sind. Der Ersatz fiktiver Fahrt­kos­ten könnte sogar der Inten­ti­on der Regelung wider­spre­chen, da es für den Arbeit­neh­mer durchaus attrak­tiv sein könnte, auf eine anstren­gen­de lange Heim­fahrt zu ver­zich­ten und dafür über den Fahrt­kos­ten­er­satz wie über einen Ein­kom­mens­be­stand­teil verfügen zu können. Ins­ge­samt betrach­tet sind daher Fahrt­kos­ten (Rei­se­kos­ten) dem Arbeit­neh­mer nur dann zu ersetzen, wenn der Arbeit­neh­mer auch tat­säch­lich von der Mög­lich­keit der Heim­rei­se Gebrauch gemacht hat.

Bild: © Alt­erfal­ter — Fotolia