News
Immer aktuell

Steuern A‑Z

Artikel zum Thema: Inventur

Bilanz­ma­ni­pu­la­ti­on — Begriffs­be­stim­mung und Systematisierung

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

Juni 2013 

Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen sind neben Ver­mö­gens­schä­di­gun­gen und sons­ti­gem Fehl­ver­hal­ten (wie z.B. Kor­rup­ti­on) den Wirt­schafts­de­lik­ten zuzuordnen. 

Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen werden in der deutsch­spra­chi­gen Lite­ra­tur nicht ein­heit­lich defi­niert. Ein häufig ange­wen­de­tes Begriffs­ver­ständ­nis lautet wie folgt: Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen sind bewusste oder unbe­wuss­te Verstöße gegen die Regeln der Rech­nungs­le­gung im Bereich der Bilanz, der GuV und anderer Berichts­in­stru­men­te, die dazu führen, dass ein wesent­lich unrich­ti­ges Bild der wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­se der Gesell­schaft dar­ge­stellt wird.

Es exis­tie­ren ver­schie­de­ne Termini, welche synonym mit Bilanz­ma­ni­pu­la­ti­on ver­wen­det werden: z.B. Bilanz­de­likt, Bilanz­be­trug, Bilanz­skan­dal, Jah­res­ab­schluss­feh­ler, Rech­nungs­le­gungs­ma­ni­pu­la­ti­on). Fest­zu­hal­ten ist, dass Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen nicht aus­schließ­lich Verstöße gegen die Bilanz betref­fen, sondern auch Verstöße gegen die übrigen Bestand­tei­le eines Jah­res­ab­schlus­ses (GuV und Anhang) umfassen sowie in Ver­bin­dung mit Hand­lun­gen gebracht werden, die zu einem gesetz- oder ord­nungs­wid­ri­gen Lage­be­richt einer Gesell­schaft führen.

Der Begriff der Mani­pu­la­ti­on kenn­zeich­net sich dadurch, dass der Wahr­heits­ge­halt der Infor­ma­ti­on für den Täter nur zweit­ran­gig ist und wird (laut Brock­haus) wie folgt defi­niert: „Beein­flus­sung oder Lenkung eines Menschen, einer Gruppe, oder eines sozialen Phä­no­mens (z.B. der öffent­li­chen Meinung), auch die ver­zer­ren­de Dar­stel­lung eines Sach­ver­halts durch gezielte, aber für den Adres­sa­ten undurch­schau­ba­re Steue­rungs­im­pul­se bzw. Informationseingaben.“

Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen umfassen sowohl bewusste wie auch unbe­wuss­te Verstöße. Neben der unbe­ab­sich­tig­ten Falsch­an­wen­dung oder ‑aus­le­gung der Grund­sät­ze ord­nungs­mä­ßi­ger Buch­füh­rung (GoB) treten häufig folgende Fehler auf: Schreib­feh­ler, Rechen­feh­ler, Lese­feh­ler, Schätz­feh­ler, Über­tra­gungs­feh­ler, Fehler durch Übersehen.

Die absicht­li­chen Verstöße werden oft als dolose Hand­lun­gen bezeich­net, da sich der latei­ni­sche Begriff „Dolus“ aus dem römi­schen Zivil- und Straf­recht ableitet und über­setzt „List, Hin­ter­list, Betrug, Heim­tü­cke, Täu­schung“ bedeutet.

Laut h.M. kann nicht schon jeder noch so unbe­deu­ten­de, objek­ti­ve Verstoß gegen die GoB zur Beein­träch­ti­gung der Infor­ma­ti­ons­in­ter­es­sen der Bilanz­adres­sa­ten führen. Im Mit­tel­punkt steht die Fest­stel­lung, ob die Gene­ral­klau­sel (nämlich die Ver­mitt­lung eines mög­lichst getreuen Bildes der Vermögens‑, Finanz- und Ertrags­la­ge des Unter­neh­mens zum Abschluss­stich­tag) sowie Kennt­nis­se und Kennt­nis­mög­lich­kei­ten eines sorg­fäl­ti­gen Bilanz­er­stel­lers vor­lie­gen. Laut Beck’schem Bilanz­kom­men­tar (auf welches auch die öster­rei­chi­sche Recht­spre­chung Bezug nimmt) exis­tie­ren vier Abgren­zungs­kri­te­ri­en in Form von Ori­en­tie­rungs­hil­fen, die für eine Nich­tig­keit von Jah­res­ab­schlüs­sen maß­ge­ben­de Wesent­lich­keits­gren­zen dar­stel­len. Von einer Wesent­lich­keit ist aus­zu­ge­hen, wenn zumin­dest eines der fol­gen­den Kri­te­ri­en erfüllt ist: 

  • a) Abwei­chung um min­des­tens 10% des Jah­res­er­geb­nis­ses (bzw. um min­des­tens 5% des Vor­steu­er­ergeb­nis­ses) sowie 0,25% der Bilanzsumme 
  • b) Abwei­chung um min­des­tens 5% der Bilanzsumme 
  • c) Abwei­chung um min­des­tens 10% der – für das Unter­neh­men (oder seine Organe) beson­ders wichtige – sonstige Ein­zel­pos­ten des Jahresabschlusses 
  • d) Über­schrei­tung gesell­schafts­recht­lich rele­van­ter Grenzen (z.B. Grö­ßen­klas­sen­ein­tei­lung, Verlust von 50% des Grund­ka­pi­tals, Ver­ei­te­lung der Überschuldung) 

Der Hinweis auf die „Wahrheit“ und somit der Rich­tig­keit der Bericht­erstat­tung erscheint in Anleh­nung an die Straf­be­stim­mun­gen von Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen in der Begriffs­de­fi­ni­ti­on zweck­mä­ßig, da auch eine unrich­ti­ge Kom­mu­ni­ka­ti­on der Geschäfts­füh­rung über die Ver­hält­nis­se der Gesell­schaft sank­tio­niert wird.

Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen werden je nach ihrer Zweck­mä­ßig­keit unter­schied­lich sys­te­ma­ti­siert. Häufig vor­kom­men­de Abgren­zun­gen – die alle ihre prak­ti­sche Berech­ti­gung und Relevanz haben – sind: Bilanz-/ Buch­füh­rungs-/ Inven­tur­de­likt; Bilanzfälschung/Bilanzverschleierung sowie Primär-/Se­kun­där­de­likt.

Buch­füh­rungs­de­lik­te sind Verstöße gegen die GoB i.e.S. Die GoB i.e.S. regeln die Ord­nungs­mä­ßig­keit bei der Auf­zeich­nung von Geschäfts­vor­fäl­len sowie der Orga­ni­sa­ti­on der Buch­füh­rung. Bilanz­de­lik­te umfassen Verstöße gegen die Grund­sät­ze ord­nungs­mä­ßi­ger Bilan­zie­rung. Die Grund­sät­ze ord­nungs­mä­ßi­ger Bilan­zie­rung regeln Bilanz­an­satz und Bilanz­be­wer­tung. Verstöße gegen die Grund­sät­ze einer ord­nungs­ge­mä­ßen Inventur werden unter dem Begriff der Inven­tur­de­lik­te zusammengefasst.

Bilanz­ver­schleie­run­gen ver­sto­ßen gegen das Prinzip der Bilanz­klar­heit und gegen das Prinzip der Bilanz­kon­ti­nui­tät. Bei Bilanz­ver­schleie­run­gen wird das Jah­res­er­geb­nis nicht beein­flusst, sondern ledig­lich die Dar­stel­lungs­ebe­ne verfälscht. 

Bilanz­ver­schleie­run­gen sind von den Bilanz­fäl­schun­gen abzu­gren­zen. Diese ver­sto­ßen gegen das Prinzip der Bilanz­wahr­heit und somit gegen die Grund­sät­ze der Rich­tig­keit und Will­kürf­rei­heit und beein­flus­sen das Jah­res­er­geb­nis (positiv oder negativ).

Wird die Bilanz­ma­ni­pu­la­ti­on als Pri­mär­de­likt ausgeübt, ist das vor­ran­gi­ge Hand­lungs­ziel des Täters die Rech­nungs­le­gung der Gesell­schaft zu mani­pu­lie­ren. Wird die Bilanz­ma­ni­pu­la­ti­on dagegen als Sekun­där­de­likt begangen, verfolgt der Täter in erster Linie das Ziel durch die Bilanz­ma­ni­pu­la­ti­on ein Fol­ge­de­likt (wie z.B. Betrug oder Steu­er­hin­ter­zie­hung) vor­zu­be­rei­ten oder zu verschleiern. 

Aktu­el­len Studien zufolge treten Bilanz­ma­ni­pu­la­tio­nen in der Mehrzahl der (im Rahmen von Abschluss- oder Betriebs­prü­fun­gen bzw. im Zuge eines Straf­ver­fah­rens auf­ge­deck­ten) Fälle als Bilanz­de­lik­te auf, die in Form von Bilanz­fäl­schun­gen zur Ver­schleie­rung von Fol­ge­de­lik­ten begangen werden.

Bild: © Supe­rin­go — Fotolia