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Artikel zum Thema: Rechtzeitigkeit

BAO-Praxis — Die Bescheidbegründung

Kate­go­rien: Manage­ment-Info

April 2008 

Not­wen­di­ge Bescheidmerkmale

Da das Vor­lie­gen eines formell ord­nungs­ge­mä­ßen Beschei­des Vor­aus­set­zung für die Eröff­nung eines inhalt­li­chen Beru­fungs­ver­fah­rens ist, ist es wichtig zu wissen, welche die gesetz­lich ver­lang­ten Bescheid­merk­ma­le sind.

Ein Bescheid ist gem § 93 Abs 2 BAO als Bescheid zu bezeich­nen, hat einen Spruch zu ent­hal­ten und den Bescheid­adres­sa­ten zu nennen. Der Spruch stellt die eigent­li­che Wil­lens­er­klä­rung der Behörde dar und es muss sich somit ihr nor­ma­ti­ver Inhalt klar aus der For­mu­lie­rung des Beschei­des ergeben.
Weiters hat ein Bescheid gem § 90 Abs 3 lit a BAO eine Begrün­dung zu ent­hal­ten, wenn ihm ein Anbrin­gen zugrunde liegt, dem nicht voll­stän­dig Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird. Das Merkmal der Begrün­dung stellt den Kern des vor­lie­gen­den Bei­tra­ges dar.
Zusätz­lich hat der Bescheid gem § 90 Abs 3 lit b BAO auch eine Rechts­mit­tel­be­leh­rung zu ent­hal­ten, ob, in welcher Frist und bei welcher Behörde ein Rechts­mit­tel ein­ge­bracht werden kann. Fehlt die Rechts­mit­tel­be­leh­rung oder wird ein Rechts­mit­tel zu Unrecht nicht zuge­las­sen, beginnt die Rechts­mit­tel­frist nicht zu laufen.
Schließ­lich muss gem § 96 BAO die bescheid­aus­stel­len­de Behörde bezeich­net werden, ein Datum auf­schei­nen (dessen Fehlen jedoch keine unmit­tel­ba­re Rechts­fol­ge hat), und schließ­lich eine Unter­schrift bzw Beglau­bi­gung (ausgen. auto­ma­ti­ons­un­ter­stützt erstell­te Bescheide).

Bescheid­merk­mal „Begrün­dung“

Nach der stän­di­gen Recht­spre­chung hat die Begrün­dung zu umfassen:

  • den Sach­ver­halt, den die Behörde als erwiesen annimmt, wobei ein Hinweis auf dem Abga­be­pflich­ti­gen bekann­tes Akten­ma­te­ri­al kei­nes­falls eine zusam­men­hän­gen­de Dar­stel­lung des Sach­ver­hal­tes ersetzen kann. 
  • die Beweis­wür­di­gung, aus welcher klar und schlüs­sig her­vor­geht, was die Behörde dazu ver­an­lasst hat, ein Beweis­mit­tel dem anderen vorzuziehen. 
  • eine Dar­stel­lung der recht­li­chen Beur­tei­lung, der zufolge die Behörde die Ver­wirk­li­chung abga­ben­recht­li­cher Tat­be­stän­de durch den in der Begrün­dung ange­führ­ten Sach­ver­halt für gegeben erachtet (zB VwGH 3.7.2003, 98/15/0128);
  • allen­falls die Beur­tei­lung von Vor­fra­gen.
  • die Angabe der maß­ge­ben­den Umstände bei Ermes­sens­ent­schei­dun­gen (VwGH 23.10.1987, 84/17/0220), weil die Nach­prüf­bar­keit des Ermes­sens­ak­tes auf seine Über­ein­stim­mung mit dem Gesetz dies erfor­dert (zB VwGH 24.3.2004, 2001/14/0083). Außerdem dient es dem Schutz vor Willkür und der rechts­staat­li­chen Kon­trol­le (VwGH 20.12.1989, 89/01/0216).
  • die Begrün­dung muss jeden­falls so geartet sein, dass der Denk­pro­zess, der in der behörd­li­chen Erle­di­gung seinen Nie­der­schlag gefunden hat, sowohl für die Partei als auch für die Höchst­ge­rich­te nach­voll­zieh­bar ist (zB VwGH 29.10.2003, 2000/13/0028).

Zusam­men­hang zwischen Begrün­dung und Beginn der Rechtsmittelfrist

Das Wissen um den Inhalt einer geset­zes­kon­for­men Bescheid­be­grün­dung ist Grund­la­ge für weitere ver­fah­rens­recht­li­che Schritte. Ins­be­son­de­re ist der Zusam­men­hang zwischen der Art der Begrün­dung und der Lauf der Rechts­mit­tel­frist für die Recht­zei­tig­keit der Ein­brin­gung von beson­de­rer Bedeu­tung. Es seien die fol­gen­den vier mög­li­chen Fall­va­ri­an­ten aufgezeigt:

„Ide­al­fall“

Im ver­fah­rens­recht­li­chen Ide­al­fall enthält der Bescheid eine voll­stän­di­ge, aus­führ­li­che und somit geset­zes­kon­for­me Begrün­dung. Die vier­wö­chi­ge Beru­fungs­frist beginnt somit gem § 245 1. Fall BAO mit Zustel­lung des Beschei­des.

„echter Begrün­dungs­nach­trag“

Es kann jedoch der — durchaus nicht unüb­li­che — Fall ein­tre­ten, dass der Bescheid (noch) keine qua­li­fi­zier­te Begrün­dung enthält, sondern statt­des­sen die geson­der­te Zustel­lung der (eigent­li­chen) Begrün­dung ange­kün­digt wird. Dies ist der einzige Fall, bei dem sich der Par­tei­en­ver­tre­ter zurück­leh­nen und die Zustel­lung der geson­der­ten Begrün­dung in aller Ruhe abwarten kann. Denn gem § 245 2. Fall BAO beginnt bei einem echten Begrün­dungs­nach­trag die Beru­fungs­frist (erst) mit Zustel­lung der geson­dert erge­hen­den Begrün­dung.

„unechter Begrün­dungs­nach­trag = Begründungsverweis“

Hierbei enthält der Bescheid wiederum keine aus­führ­li­che und alle Punkte umfas­sen­de Begrün­dung sondern ledig­lich einen Verweis auf Aus­füh­run­gen an anderen Orten. Dies kann nun ein Verweis auf die Begrün­dung eines anderen, bereits früher ergan­ge­nen Abga­ben­be­schei­des sein, oder aber auch der in der Praxis gehäuft anzu­tref­fen­de Verweis auf die Aus­füh­run­gen eines Prü­fungs­be­rich­tes. Das prak­ti­sche Problem dabei ergibt sich oft daraus, wenn es sich zB um einen Wie­der­auf­nah­me­be­scheid als Folge einer gerade statt­ge­fun­de­nen Außen­prü­fung handelt, aller­dings jener Prü­fungs­be­richt, auf den ver­wie­sen wird, noch gar nicht beim Par­tei­en­ver­tre­ter ein­ge­trof­fen ist.
Wird nun die Zustel­lung des Prü­fungs­be­rich­tes abge­war­tet und die Berufung erst nach dessen Ein­lan­gen ein­ge­bracht, kann die Beru­fungs­frist bereits abge­lau­fen sein und vom Finanz­amt — zu Recht — infolge Frist­ver­säum­nis zurück­ge­wie­sen werden.
Die Zustel­lung des Prü­fungs­be­rich­tes sollte daher beob­ach­tet und nöti­gen­falls beim Finanz­amt urgiert werden bzw. sollten recht­zei­tig ent­spre­chen­de ver­fah­rens­recht­li­che Schritte gesetzt werden (wie ins­be­son­de­re Ver­län­ge­rung der Beru­fungs­frist gem § 245 Abs 3 BAO)

„Begrün­dungs­man­gel“

Enthält der Bescheid über­haupt keine bzw. keine voll­stän­di­ge Begrün­dung, dann liegt ein Begrün­dungs­man­gel vor. Eine unvoll­stän­di­ge Begrün­dung liegt ins­be­son­de­re dann vor, wenn im Rahmen von Ermes­sens­maß­nah­men, wie jener der vor­läu­fi­gen Ver­an­la­gung nach § 200 BAO, zwar die tat­be­stand­li­che Unge­wiss­heit dar­ge­stellt, jedoch kei­ner­lei Erwä­gun­gen über die Ermes­sens­übung in der Begrün­dung zu finden sind.
Bei Vor­lie­gen der­ar­ti­ger Begrün­dungs­män­gel beginnt die Beru­fungs­frist zwar grund­sätz­lich mit Zustel­lung des Beschei­des zu laufen, jedoch ist sie durch eine ver­fah­rens­recht­li­che Maßnahme (Antrag auf Nach­rei­chung der gänzlich bzw teil­wei­se feh­len­den Begrün­dung gem § 245 Abs 2 iVm § 93 Abs 3 lit a BAO) solange hemmbar bis eine (voll­stän­di­ge) Begrün­dung nach­ge­reicht wird.

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